„Malfabrik“ – warum nicht!

Die Malfabrik ist eine Utopie von Studenten der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Der erste Anlauf blieb hängen im Netz bürokratischen Widersprüche, der zweite zappelt auch schon wieder darin. Die Idee braucht Öffentlichkeit – und demokratischen Dampf.

Leipzig, so geht die Sage, sei einst auch eine Stadt der Kunst, eine Stadt der Künstler gewesen. Wer es Weiß, nennt beschwörend die Namen Klinger und Beckmann; lässt wehmütiges Gedenken an das Leipziger Künstlerhaus am Nikischplatz aufkommen, das, im Krieg zerstört, keinen Nachfolger fand! Einst gab es dort Ateliers, aber auch Werkstatträume und eine Galerie.

Fünf Studenten der Hochschule für Grafik und Buchkunst sowie der erste Prorektor Professor Seidel und ein Tischler für Atelierbedarf erinnerten sich dieses Hauses und wollten ähnliches in Leipzig wieder aufbauen. Vorausgegangen waren Projekte junger Künstler, wie 83/85 die Plagwitzer Interessengemeinschaft, der Leipziger Herbstsalon ’84 oder die Galerie Eigen-Art, bei denen die Künstler selbst die Ausstellungen organisierten.

Schließlich entstand 1987 an der Hochschule der Plan zu einer „Malfabrik“, die Atelierräume, Werkstätten, Galerie und Café beherbergen sollte. Man lief durch Leipzig und fand schließlich in einer alten Pelzfärberei, Hohlbeinstraße 38, ein für den Umbau geeignetes Objekt. Das Haus stand leer und verfiel.

Die Studenten schrieben an 15 „Entscheidungsträger“, die ihnen bedeutsam genug dünkten, Entscheidungen fällen zu können. Und, wie nicht anders zu erwarten, – alle zeigten sich begeistert. Im Herbst und Winter ’88 war’s, als Gespräche beim Rat des Bezirkes stattfanden und man sich zum Lokaltermin in der Pelzfärberei traf. Die FDJ (man erinnert sich?) wollte Geld geben; der Rat des Stadtbezirks Südwest ließ wissen, er habe das Haus dem Rat der Stadt überantwortet.

,strong>In der Folge lernten die Studenten gründlich die Widrig-und-Niedrigkeiten der Bürokratie kennen. Unterlagen wollte man ihnen nicht zeigen; schließlich erfuhren sie durch den Hausverwalter, dass die Besitzerin in Düsseldorf lebe und diese durchaus bereit sei, die Fabrik zu vermieten.

Nachdem Pläne zur Enteignung durch die jungen Künstler abgeblockt werden konnten, wollte die FDJ die Malfabrik zum Parteitagobjekt adeln, um an Geld und Materialien heranzukommen. Auch wollten sehr löblich, die Kampfreservisten der Partei für ein Jahr die Rechtsträgerschaft übernehmen. Der Plan wurde von einem erfahrenen SED-Streiter abgewürgt. Opitz sein Name, damals Vorsitzender des Rates des Bezirkes. Mit 1,5 Millionen zu aufwendig, befand er. Dr. Hartmut König, stellvertretender Minister für Kultur, wollte inzwischen wissen, dass „alles geregelt“ sei.

Wer es glaubt, mochte selig werden. Denn kaum ein halbes Jahr später meldete die Gewerberaumlenkung ihre Ansprüche an. Und, das Erstaunen war perfekt, der ein Jahr zuvor nach eigener Aussage nicht zuständige Rat des Stadtbezirkes Südwest. Die Farce wird vollkommen, als die Studenten Anfang November ’89 durch Zufall erfuhren, dass sie über ein Gebäude verhandelten, das seit 2 Monaten Kürchnermeister vergeben war.

Wieder machten sich die jungen Künstler auf, suchen ein neues zukünftiges Domizil. Sie finden es in der Auenstraße 4 – heute Henricistraße, einem denkmalgeschützten, neoklassizistischen Bau, der auch vom Verfall bedroht ist. Und nun gerät das Projekt „Malfabrik“ in die Zwickmühle. Einerseits sollen Geldmittel vorgewiesen werden, andererseits ist klar, es wird in solche Häuser überhaupt kein Geld investiert. Über den Verkauf des Hauses will niemand in der Stadt entscheiden, jetzt, so kurz vor der Wahl. Unterdessen sorgen sich die Künstler, sie könnten erneut draußen bleiben …

Quelle: Thomas Steinberg, „Malfabrik“ – warum nicht!, Neueste Nachrichten, Seite 2, 31.1.1990